Besucher: 8178



Thema des Tages
Ausgegeben vom Deutschen Wetterdienst. Neueste Meldung oben

Wetter aktuell
Lake Effect Snow - Verbindendes meteorologisches Phänomen zwischen
Ostsee und Großen Seen

Sowohl in Deutschland als auch im Nordosten Nordamerikas brachten
kräftige Tiefs in den vergangenen Tagen den ersten Schnee des
Winterhalbjahres. Dabei spielte der sogenannte "Lake Effect Snow"
rund um die Großen Seen, aber auch an der Ostsee eine nicht
unbedeutende Rolle. Was sich dahinter verbirgt, klären wir im
heutigen Thema.

In vielen Regionen Deutschlands liegt bis in die Niederungen
zumindest eine dünne Schneedecke. Lediglich im Südwesten schaut man
eher noch "ins Grüne". In den vergangenen Tagen wurde in den Themen
des Tages bereits ausführlicher auf die Entwicklung der winterlichen
Wetterlage und der Schneedecke eingegangen (siehe Themen des Tages
vom 28.11.23 und 29.11.23). Nicht nur im Mittelgebirgsraum oder an
den Alpen musste zu Besen oder Schaufel gegriffen werden, um die Wege
oder das Auto freizuräumen. Auch entlang den deutschen Küsten, vor
allem der Ostsee, liegt für diese Regionen eine veritable Schneedecke
(Abbildung 1). In Nordamerika, genauer gesagt im Umfeld der Großen
Seen, braucht man derzeit schon teils schwereres Gerät, um den
dortigen Schneemassen Herr zu werden. Beide Regionen verbindet dieser
Tage der sogenannte "Lake Effect Snow", welcher regional für
verhältnismäßig hohe Schneesummen sorgt.

Der Lake Effect Snow (LES) ist ein Phänomen, das im Winterhalbjahr
beim Überströmen von Kaltluft über größere, relativ warme
Wasserflächen auftreten kann. Beim Überstreichen der trocken-kalten
Luft über die deutlich wärmeren Gewässer wird die untere Atmosphäre
mit Wärme und Feuchtigkeit versorgt und deren Schichtung wird dadurch
labiler. Die mit Wärme und Feuchtigkeit angereicherten Luftpakete
steigen auf, kühlen sich ab und kondensieren vorwiegend bereits in
den unteren Atmosphärenschichten. Daher kann es zu flächenmäßig eng
begrenzten Niederschlagsbändern mit heftigen Schneefällen kommen.
Aufgrund der geringen Breite der Niederschlagsbänder von oft nur
wenigen Kilometern kann das betroffene Gebiet im Schnee versinken,
während im näheren Umfeld mitunter deutlich weniger oder gar kein
Schnee fällt. Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen der
Wasseroberflächentemperatur und der Temperatur in 1,5 km Höhe
(Druckniveau auf etwa 850 hPa) über Grund eine Differenz von
mindestens 13 Kelvin bestehen muss, damit genügend Energie für die
Bildung kräftiger und langlebiger Niederschlagsbänder zur Verfügung
steht. Starke Schneeschauer können unter anderem dann entstehen, wenn
die labile Luftmasse eine vertikale Mächtigkeit von mindestens ca. 2
km über Grund erreicht.
Eine weitere Schlüsselkomponente bei der Bestimmung von besonders
betroffenen Küstengebieten beim Lake Effect Snow ist die
Windrichtung. Zudem ist der sogenannte "Fetch" entscheidend, der die
Wirklänge des Windes über die offene Wasserfläche beschreibt. Der
"Fetch" sollte typischerweise mindestens 100 km betragen, damit der
Luft ausreichend Wärme und Feuchtigkeit für die Entwicklung der
Schneeschauerstraßen zugeführt werden kann.

Der Lake Effect Snow ist im Bereich der Großen Seen (USA) besonders
ausgeprägt, da es hier häufiger zu einem "Arctic Outbreak" kommt.
Dabei kann auf der Rückseite eines Tiefs häufig sehr kalte, trockene
Luft aus den arktischen Breiten Kanadas weit nach Süden in die USA
vorstoßen. Dort überströmen die arktischen Luftmassen die Großen
Seen, meist von West bis Nordwest nach Ost bis Südost. Für den
Eriesee und den Ontariosee beispielsweise ist der "Fetch" bei einer
westlichen Windkomponente mit mehreren hundert Kilometern besonders
lang. In der ersten Wochenhälfte kam es nun zum ersten markanten
"Arctic Outbreak" über Nordamerika mit entsprechendem Lake Effect
Snow.

Die Wassertemperatur der Großen Seen lag verbreitet noch bei +6 bis
+9 Grad, während in 1,5 km rund -14 Grad vorherrschend waren. Summa
summarum ergaben sich demnach in der unteren Atmosphäre Differenzen
von 20 bis 23 Kelvin. Dieser Temperaturgegensatz stellte viel Energie
für die Bildung von intensiven und teils gewittrig durchsetzten
Schneeschauerstraßen vor allem an den Ost- und Südostseiten von Lake
Michigan, Huron, Erie und Ontario zur Verfügung. Dabei wurden häufig
pro Stunde Neuschneeraten von 3-10 cm (ca. 1-3 inches), in einigen
Regionen (z.B. knapp südlich von Buffalo) auch 10 bis 15 cm (4-6
inches) beobachtet. Insgesamt sind seit Montag teilweise 25-50 cm
(10-20 inches), strichweise auch um 75 cm (30 inches) gemeldet
worden.

Kehren wir wieder nach Mitteleuropa zurück. Wie bereits erwähnt,
konnte beispielsweise am Dienstag im Skagerrak und Kattegat sowie in
der westlichen Ostsee (siehe Abbildung 4) der Lake Effect Snow mit
seinen charakteristischen Schauerstraßen von Nord bis Nordost nach
Süd bis Südwest beobachtet werden.

Die Bedingungen waren dabei denen in Nordamerika sehr ähnlich. Die
Temperaturdifferenz betrug zwischen Wasseroberfläche (rund 8 Grad)
und 1,5 km (-12 bis -14 Grad) um bzw. etwas über 20 Kelvin. Lediglich
die Breite der Wasserflächen und damit der "Fetch" reicht in den
westlichen Ostseegebieten nicht an die Großen Seen heran, sodass die
Neuschneemengen in der Regel im Verhältnis nicht so hoch ausfallen.
In weiten Teilen des Landes hält die Zufuhr kalter Luftmassen aus
Norden bis Nordosten in den kommenden Tagen an, sodass der Lake
Effect Snow an der Ostseeküste strichweise weiteren Schneenachschub
liefern dürfte.


M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.11.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst



Wetter aktuell
Von neuem Schnee, gefrierendem Regen und Modellchaos


Dem Süden stehen neue, kräftige Niederschläge bevor. Große
Unterschiede in den Wettermodellen erschweren die Vorhersage der
Niederschlagsphase allerdings. Regen oder Schnee? Wir versuchen etwas
Ordnung in das Modellchaos zu bringen.


In den kommenden Tagen bauen sich zwischen Nord- und Südeuropa
größere Temperaturgegensätze auf. Subtropische Warmluft wird vom
Atlantik Richtung Mittelmeerraum geführt, während weite Teile Nord-
und Mitteleuropas von polarer Kaltluft geflutet werden (siehe
Abbildung 1). Entlang dieser vorübergehend quasi ortsfesten
Frontalzone, also des Bereichs mit den größten Temperaturgegensätzen,
kommt es zu kräftigeren und länger anhaltenden Niederschlägen, die
auf der warmen Seite als Regen, auf der kalten als Schnee fallen.
Kleinste Verschiebungen der Frontalzone entscheiden vor Ort über
Schneegestöber oder Regenfälle, weswegen es natürlich wünschenswert
wäre, wenn die verschiedenen Wettermodelle ein einigermaßen klares
Bild über die voraussichtliche Position der Luftmassengrenze liefern
würden.

Doch ausgerechnet bei diesen Grenzwetterlagen beginnt auch bei den
Wettermodellen das große Flattern. Nicht selten liefert in solchen
Situationen jedes Modell sein eigenes Szenario, selbst noch wenige
Tage oder Stunden vor dem Ereignis. Welches von diesen vielen, mehr
oder weniger stark abweichenden Szenarien sich am Ende bewahrheitet,
lässt sich im Vorfeld nicht sagen. Dem Forecaster bleibt nichts
anderes übrig, als das für ihn wahrscheinlichste Szenario zu
beschreiben und die Unsicherheiten zu kommunizieren - und genau das
soll nun geschehen.

In Abbildung 2 soll die von den 4 Wettermodellen ICON13, EZMW, GFS
und UK10 vorhergesagte Lage der Frontalzone am Donnerstagabend (22
Uhr) verdeutlich werden, dem Zeitpunkt der vermutlich nördlichsten
Position. Dargestellt ist die Temperatur auf der 850-hPa-Druckfläche,
also in etwa 1500 Metern Höhe. Was direkt auffällt, ist, dass sich
die dichteste Drängung der Isothermen (die Linien gleicher
Temperatur) und damit die Luftmassengrenze in allen Modellen irgendwo
über Süddeutschland befindet. Soweit so gut - das Problem ist aber
das "Irgendwo". Die 0-Grad-Isotherme, die in erster Näherung den
Übergang von Schnee zu Regen markiert, variiert von Modell zu Modell
um 100 Kilometer. Die nördlichste Variante liefert das EZMW (Höhe
Stuttgart), die südlichste das DWD-Modell ICON13 (Höhe München).

Demnach ist lediglich sicher, dass ab Donnerstagfrüh, im Zuge der
hereindriftenden Luftmassengrenze, vor allem im Süden mit kräftigeren
Niederschlägen zu rechnen ist. Wie weit sie nach Norden ausgreifen
und wo sich der Übergang von Schnee zu Regen vollzieht, ist aber noch
hochgradig unsicher. Wenn man kein Modell bevorzugen möchte, dann
nimmt man für das vermeintlich wahrscheinlichste Szenario die
mittlere Lage der Luftmassengrenze. Demnach läge sie (wahrscheinlich)
auf der Höhe Augsburg, wie von GFS und ICON-D2 berechnet. Die
Situation am Donnerstagabend bzw. in der Nacht zum Freitag sähe
folglich in etwa so aus wie in Abbildung 3. Also nördlich der Höhe
Augsburg Schneefall mit durchaus nennenswerten Neuschneemengen,
südlich erst Schnee, dann Regen und beim Übergang eventuell
vorübergehend gefrierender Regen mit Glatteisbildung.

Diese Niederschläge beschäftigen uns voraussichtlich bis in den
Samstag hinein, wobei sie mit Rückzug der Luftmassengrenze auch ganz
im Süden wieder zunehmend in Schnee übergehen und dem Alpenrand wohl
eine größere Schneepackung bescheren.



Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.11.2023

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst





Private Wetterstation Altenmarkt a. d Alz - Alle Angaben ohne Gewähr - (c) Matthias Schwanter   -   Seitengeneration erfolgte in 0.1825 Sekunden.