Thema des Tages
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Wissenschaft kompakt
Der Okeechobee-Hurrikan 1928
Das heutige Thema des Tages beschäftigt sich mit dem
Okeechobee-Hurrikan. Dieser löste am 17. September 1928 eine
Katastrophe am Okeechobeesee aus, die sich heute zum 97. Mal jährt.
Der Okeechobeesee ist der größte See im US-Bundesstaat Florida und
nach dem Michigansee und dem Iliamna Lake (Alaska) der drittgrößte
vollständig in den USA gelegene Süßwassersee. Durch den
Okeechobee-Hurrikan brach am 17. September 1928 der Deich des
Okeechobeesees. Die daraus resultierende Flut forderte über 2.500
Menschenleben.
An dieser Stelle folgt zunächst noch ein kleiner Exkurs über
tropische Tiefdruckgebiete, bevor genauer auf den Okeechobee-Hurrikan
eingegangen wird.
Tropische Tiefdruckgebiete entstehen meist über den warmen
(sub)tropischen Ozeanen. Sie weisen einen warmen Kern sowie eine
axial-symmetrische und barotrope Struktur auf (barotrop = Flächen
gleicher Temperatur verlaufen parallel zu Flächen gleichen Drucks).
Die barotrope Struktur erkennt man beispielsweise daran, dass sie
keine Fronten besitzen, da keine oder nur geringe
Temperaturunterschiede am Boden vorliegen. Charakteristisch ist das
kreisförmige, nahezu wolkenlose "Auge" im Zentrum. Um das Auge herum
befindet sich eine Wolkenwand aus hochreichender Konvektion, die
sogenannte "eyewall".
Bedingungen für das Auftreten von tropischen Tiefdruckgebieten sind:
1) Gewisse Entfernung zum Äquator (geografische Breite > 5 Grad), da
ein signifikanter Coriolisparameter für die Rotation nötig ist
2) Meeresoberflächentemperaturen von über 26,5 Grad Celsius bis in
eine Tiefe von 50 bis 150 m
3) Geringe vertikale Windscherung
4) Hochreichend labil geschichtete Atmosphäre
5) Feuchte mittlere Troposphäre
6) Anfangsstörung (z.B. Easterly Wave, mesoskaliger Gewittercluster)
Sobald eine solche Anfangsstörung eine geschlossene Zirkulation mit
Windgeschwindigkeiten (über 10 min gemittelt) von bis zu 61
Kilometern pro Stunde aufweist, wird von einem tropischen
Tiefdruckgebiet bzw. einer tropischen Depression gesprochen. Das
nächste Entwicklungsstadium ist ein tropischer Sturm mit im Zentrum
konzentrierter Konvektion und den spiralförmig angeordneten
Regenbändern. Ab Windgeschwindigkeiten von 119 Kilometern pro Stunde
spricht man dann je nach Ort ihres Auftretens von Hurrikans, Taifunen
oder Zyklonen. Im Nordatlantik sowie Nordostpazifik wird der Begriff
"Hurrikan" verwendet.
Der Okeechobee-Hurrikan oder auch Huracán San Felipe Segundo war
nicht nur der folgenschwerste Sturm der atlantischen Hurrikansaison
1928, sondern auch einer der stärksten Hurrikane der
US-amerikanischen Geschichte. Er war zudem der erste gemessene
Hurrikan der Kategorie 5 im atlantischen Becken.
Der Okeechobee-Hurrikan entstand ganz klassisch vor der Westküste
Afrikas und zog als tropischer Sturm südlich der Kapverden weiter
Richtung Westen über den Atlantik. Er intensivierte sich rasch,
während er die Inseln über dem Winde (nördlicher Teil der Kleinen
Antillen) kreuzte und traf schließlich am 13. September als Hurrikan
der Kategorie 5 auf Puerto Rico. Damals war es noch üblich Hurrikane
anhand der christlichen Gedenktage ihres Auftretens zu benennen und
da dieser Hurrikan bereits der zweite war, der Puerto Rico an einem
13. September erreichte, trägt er auch den Namen San Felipe Segundo.
Über die Bahamas führte der Weg schließlich Richtung Florida, wo er
nahe West Palm Beach als Hurrikan der Kategorie 4 seinen Landgang
vollzog. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehrere Hundert
Menschenleben gefordert. Dann traf er auf den Okeechobeesee, wodurch
der Deich brach und die Katastrophe ihren Lauf nahm. In der
Flutwelle, die die umliegenden Städte und Sümpfe überschwemmte, kamen
mindestens 2.500 Menschen ums Leben. Nachfolgend schwächte er sich
rasch ab, zog über den westlichen Bundesstaaten nordwärts und löste
sich über dem Eriesee auf.
Der Okeechobee-Hurrikan war mit insgesamt mehr als 4.000 Todesopfern
nicht nur einer der tödlichsten Hurrikane, sondern auch eine der
tödlichsten Naturkatastrophen der US-amerikanischen Geschichte.
M.Sc. Tanja Egerer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 17.09.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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Wissenschaft kompakt
Düsen und Leitplanken
Wind kann durch unterschiedlichste topographische Gegebenheiten
beeinflusst werden. Heute erklären wir, wie Düsen und Leitplanken den
Wind erheblich verstärken können.
Wind ist draußen im Freien allgegenwärtig, mal als angenehmes
kühlendes Lüftchen an einem heißen Sommertag, mal als steife Brise am
Strand oder als zerstörerischer Sturm. Gestern und am heutigen
Dienstag war bzw. ist vor allem der Norden und die Mitte Deutschlands
vom ersten kleinen "Herbststürmchen" des Jahres betroffen. Ursächlich
sind Druckunterschiede, die durch Massetransport mit dem Wind
ausgeglichen werden. Steuernde Hoch- und Tiefdruckgebiete, aktuell
Hoch OLDENBURGIA und Tief ZACK, sind für die großräumigen
Strömungsverhältnisse verantwortlich. Sie entscheiden also, aus
welcher Richtung und mit welcher Stärke der Wind weht. Lokale
Gegebenheiten wie Berge, Täler oder Meerengen können den
Umgebungswind aber verändern und mitunter erheblich verstärken. Heute
erklären wir, wie die Topografie als Düse oder als Leitplanke wirken
kann.
Betrachten wir zunächst den "Düseneffekt", auch
"Kanalisierungseffekt" genannt. Um die Hintergründe des Düseneffekts
verstehen zu können, machen wir einen kleinen Ausflug in die
Strömungsphysik. Die Erklärung ist nämlich im sogenannten "Gesetz von
Venturi" oder im "Venturi-Effekt" zu finden, benannt nach dem
italienischen Physiker Giovanni Battista Venturi (1746-1822). Der
Venturi-Effekt bestreibt die Strömungseigenschaften eines
(inkompressiblen) Fluids, z.B. Wasser, durch eine Rohrleitung. Strömt
ein Fluid durchs Rohr und erreicht eine Engstelle, erhöht sich der
Staudruck des Fluids und die Fließgeschwindigkeit nimmt zu. Genauer
gesagt erhöht sich die Geschwindigkeit im umgekehrten Verhältnis zur
Querschnittsfläche der Rohrleitung. Was recht abstrakt klingt, ist
eigentlich ganz logisch: Wenn in einer gewissen Zeit die gleiche
Wassermenge zuerst durch ein dickes und danach durch ein dünneres
Rohr fließt, muss in letzterem das Wasser entsprechend schneller
durchfließen. Diesen Effekt macht sich jeder beim Gießen oder
Reinigen mit dem Gartenschlauch zunutze. Ohne Aufsatz würde das
Wasser nur mit einem geringen Druck aus dem Schlauch laufen. Mit
Aufsatz schießt das Wasser hingegen umso schneller und weiter aus dem
Schlauch, je enger man die Öffnung zudreht. Bei einer
Wasserspritzpistole für Kinder passiert das gleiche.
Und was hat das mit dem Wind im Tal zu tun? Weht der Wind ungefähr in
Richtung des Tals und erreicht den Taleingang, wirken die Berge zu
beiden Seiten des Tals als seitliche Begrenzung. So kommt es zur
Kanalisierung der Strömung, wodurch die Windgeschwindigkeit in der
Talmitte gegenüber der Ebene abseits des Tals deutlich zunehmen kann.
Ähnliches passiert auch an Meerengen, weshalb diese in der
Seeschifffahrt oft gefürchtet sind. Diese Windverstärkung bezeichnet
man als "Kanalisierunseffekt" oder "Düseneffekt". Durch eine
Inversion (Temperaturzunahme mit der Höhe) kann der Wind zusätzlich
verstärkt werden. Sie wirkt wie ein Deckel, durch den die Luft nicht
nach oben entweichen kann. Im Kleinen tritt der Düseneffekt auch in
engen Straßenschluchten auf und kann einem Passanten schon einmal
überraschend den Hut vom Kopf wehen.
Prädestiniert für den Düsen- oder Kanalisierungseffekt ist bei
Nordostwind das Schweizer Mittelland. Eingeengt zwischen dem Jura auf
der rechten und den Alpen auf der linken Seite führt die sogenannte
"Bise" zu einer erheblichen Windverstärkung im Schweizer Mittelland
bis hin zur Sturm- oder gar Orkanstärke. Auch der "Mistral" im
französischen Rhônetal ist ein bekanntes Beispiel. Pfeift durchs
Rhônetal ein stürmischer Nordwind, weht nicht selten wenige Kilometer
abseits des Tals nur noch ein laues Lüftchen. Auch beim "Föhn" oder
anderen Fallwinden wie der "Bora" in Kroatien oder dem "Böhmischen
Wind" können Engstellen in Tälern eine erhebliche Windverstärkung
herbeiführen.
Der "Leitplankeneffekt" (oder "Führungseffekt") ist eine Art
einseitiger Düseneffekt. Trifft der Wind schräg auf ein
topographisches Hindernis, z.B. eine Bergkette, erhöht sich nahe dem
Hindernis ebenfalls der Staudruck. Folglich wird der Wind parallel
zum Hindernis abgelenkt und verstärkt. Dabei ist der
Leitplankeneffekt umso stärker, je spitzer der Winkel der Strömung
zur Bergkette ist und je höher diese ist, was ein Überströmen der
Berge erschwert. Verstärkt werden kann dieser Effekt zusätzlich durch
eine Kaltfront, zwischen welche die Strömung eingekeilt wird. Der
Leitplankeneffekt wird so wieder zu einer Art beidseitigem
Düseneffekt mit der Bergkette auf der einen und der Front auf der
anderen Seite. Bekannte Regionen in Deutschland sind das Alpenvorland
mit den Alpen als Hindernis oder das Erzgebirgsvorland. Bei
westlichen oder nordwestlichen Winden werden nicht selten in Chemnitz
oder Dresden höhere Geschwindigkeiten gemessen als weiter nördlich.
Auch beim heutigen Windfeld treten die beschriebenen Effekte in
abgeschwächter Form auf. Während durch den Leitplankeneffekt am
Nordrand des Erzgebirges der Wind in Böen 7 bis 8 Beaufort erreicht
(ca. 55 bis 70 km/h) erreicht, weht er weiter nördlich nur mit Stärke
6 (um 45 km/h). Auch in parallel zum Wind ausgerichteten
Straßenschluchten kann der Düseneffekt heute gut beobachtet werden.
Dr. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 16.09.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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