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Thema des Tages
Ausgegeben vom Deutschen Wetterdienst. Neueste Meldung oben
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Wetter aktuell
Magische Nächte?
Bereits am heutigen Mittwochmorgen konnte man über weiten Teilen
Deutschlands - wenn es Nebel oder Wolken zugelassen haben -
wunderschöne Polarlichter bestaunen und fotografieren. Für die
kommende Nacht ist ein noch stärkerer geomagnetischer Sturm
angekündigt, weshalb die aktuelle Lage näher beleuchtet werden soll.
Schon beim Blick auf die Webcam des DWD von Falkenberg kommt man ins
Staunen, denn der Himmel leuchtete gegen 3 Uhr in einem satten Rot
mit einem seichten Grün darunter, teilweise waren sogar sogenannte
"Beamer" zu erkennen. Das alles war einem ersten (bzw. zweiten)
geomagnetischen Sturm geschuldet, der seinen Weg auf die Erde
gefunden hat und von einem koronalen Massenauswurf rührte. Dieser
wiederum fand seinen Ursprung in einer uns zugewandten
Sonnenfleckengruppe namens AR4274. Genau diese Sonnenfleckengruppe
ist es auch, die einen weiteren, noch massiveren koronalen
Massenauswurf (englisch CME) hervorrief, welcher am heutigen
Mittwochabend das Erdmagnetfeld treffen soll und wieder zu
möglicherweise hellem Polarlicht in Mitteleuropa führen könnte.
Bei einem herannahenden CME trifft eine Wolke geladener Partikel das
Erdmagnetfeld und regt Moleküle in unterschiedlicher, meist großer
Höhe in der Erdatmosphäre an. Je nachdem, in welcher Höhe die
jeweiligen Moleküle angeregt werden, entstehen leuchtend-helle
Bänder, Bögen und sogar Vorhänge, die verschiedene Farben annehmen
können. Beispielsweise geben Sauerstoffmoleküle in 200 km Höhe rotes
und in 100 km Höhe grünes Licht ab. Stickstoff hingegen leuchtet
violett oder blau in tieferen Schichten der Atmosphäre. Darin findet
sich auch der Grund, warum Polarlichter in Mitteleuropa häufig rot
oder leicht grün leuchten, da meist nur die Moleküle in größeren
Höhen angeregt werden und nicht in tieferen Schichten. Anders war
dies jedoch beispielsweise in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2024,
als der Himmel nicht nur in Rot und Grün sondern auch in Blau bis
Violett strahlte.
Für heute Abend bzw. die Nacht auf Donnerstag ist nun ein sogenannter
X5.2-Flare unterwegs, womit uns abermals ein starker geomagnetischer
Sturm der Stärke G4 bevorstehen könnte. Natürlich gibt es in der
Prognose von Polarlichtern immer viel zu beachten und nicht selten
große Unsicherheiten, aber für heute Abend stehen die Zeichen schon
ziemlich gut - sollte das Timing stimmen! Erwartet wird der Höhepunkt
nach aktuellem Stand irgendwann zwischen 18 und 22 Uhr, kann aber
natürlich noch variieren.
Neben der großen Frage, ob das Erdmagnetfeld mitspielt und alles so
kommt wie gedacht, ist natürlich auch die Frage nach dem Wetter zu
beantworten.
Erfreulicherweise liegen wir momentan unter dem Einfluss von Hoch
WENCKE, sodass meist ruhiges und nahezu störungsfreies Wetter
vorherrscht, wenn man mal vom äußersten Norden absieht, wo sich schon
die Ausläufer von Tief PEPE bemerkbar machen könnten mit dichterer
Bewölkung.
Spätabends und in der Nacht erwarten wir dann einen meist gering
bewölkten Himmel, nur teilweise ziehen ein paar hohe Wolkenfelder
(meist Cirren) durch, die aber hier und da etwas dichter sein
könnten. Im Südosten hält oder bildet sich aber schon recht rasch
wieder teils dichter Nebel und auch sonst steigt das Nebelrisiko in
der Nacht gebietsweise wieder an. Es empfiehlt sich daher, sollte es
Nebel geben, auf höher gelegene Anhöhen oder Berge zu fahren, wenn
das Himmelsschauspiel startet.
Nichtsdestotrotz ist nicht sicher, ob alles passt und es wieder für
helles Polarlicht in unseren Breiten reicht. Ein Blick in den Himmel
kann aber definitiv nicht schaden, denn neben Polarlichtern sind
aktuell auch die Leoniden unterwegs und könnten tolle Sternschnuppen
zaubern.
Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im
Internet unter www.dwd.de/tagesthema.
M.Sc.-Met. Oliver Reuter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.11.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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Wetter aktuell
Die Europäische Unwetterkonferenz und das Europäische Unwetterlabor
In der kommenden Woche findet die wichtigste europäische Tagung zum
Thema Unwetter statt. Das heutige Thema des Tages wirft einen Blick
auf die bevorstehende Konferenz und die Entwicklung der europäischen
Unwetterforschung rund um diese Konferenz.
Einleitung
Die ECSS (European Severe Storms Conference ? Europäische
Unwetterkonferenz, www.ecss.eu)fand erstmals im Jahr 2000 in Toulouse
statt. Diese Konferenz war ein wichtiger Meilenstein in der
europäischen Forschung zu Gewittern und ihren Begleiterscheinungen
wie Hagel, Starkregen, Wind und Tornados. Die Initiative ging von
einer Gruppe europäischer Meteorologen sowie Wissenschaftlern von
Météo-France aus. 120 Teilnehmer aus über 20 Ländern kamen unter dem
Motto "Towards a European understanding of severe convective storms"
zusammen. Die Konferenz war ein voller Erfolg und wurde fortan zu
einer regelmäßigen zweijährlichen Veranstaltung.
Die Einführung der europäischen Unwetterdatenbank
Auf der zweiten Konferenz 2002 in Prag wurden einheitliche
Definitionen und Kriterien für Unwetter in Europa diskutiert und
festgelegt. Diese Konferenz war damit der Startpunkt für die heutige
europäische Unwetterdatenbank - ESWD, die federführend von Dr.
Nikolai Dotzek am DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) in
Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern entwickelt und 2004 auf
der Konferenz in León vorgestellt wurde. Die Datenbank sammelt alle
Unwettermeldungen in Europa und umfasst mittlerweile weit über
200.000 Einträge.
Die Gründung des Europäischen Unwetterlabors (ESSL)
Bei der Konferenz in León wurde zudem die Gründung des Europäischen
Unwetterlabors beschlossen, das schließlich am 13.09.2006 offiziell
als gemeinnütziger Verein (European Severe Storms Laboratory e.V.)
mit Sitz in München eingetragen und auf der vierten ECSS-Konferenz in
Triest 2007 offiziell vorgestellt wurde. Fortan wurde die
Unwetterkonferenz vom ESSL organisiert, dessen erster Direktor Dr.
Nikolai Dotzek war. Ziel des ESSL ist es, das Verständnis und die
Vorhersage schwerer Gewitter zu verbessern. In Zusammenarbeit mit
europäischen Wetterdiensten und Organisationen betreibt das ESSL
aktive Forschung zu Unwettererscheinungen wie Hagel, Starkregen, Wind
und Tornados. Eine wesentliche Basis dafür ist auch die ESWD, die
Teil des ESSL wurde.
Das Training Centre und das Testbed
Es folgten weitere Konferenzen in Landshut (2009) und Palma de
Mallorca (2011). Plötzlich und unerwartet verstarb am 29. Mai 2010
der Direktor des ESSL Nikolai Dotzek im Alter von nur 43 Jahren. Sein
Erbe lebt mit der Verleihung des renommierten Nikolai Dotzek Awards
für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der
Unwetterforschung im Rahmen der Tagung fort. Als neuer Direktor
übernahm Pieter Groenemeijer fortan die Leitung und baute das ESSL
weiter auf und aus. Im Rahmen der Konferenzen in Landshut und Palma
kam eine weitere Idee auf: Das ESSL Research and Training Centre
wurde kurze Zeit später im Juni 2012 in Wiener Neustadt auf die Beine
gestellt. Neben der Forschung hatte das Programm vor allem die
Weiterbildung von Vorhersagemeteorologen in Europa im Fokus. Neben
zahlreichen Fortbildungskursen findet seitdem auch das jährliche ESSL
Testbed statt
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2015/7/6.html), das
neben dem Training von Vorhersagemeteorologen auch das Testen neuer
Vorhersage- und Warnprodukte umfasst.
In den Folgejahren fanden weitere Konferenzen in Helsinki (2013),
Pula (2017) und Krakau (2019) statt. In diesen und den
darauffolgenden Jahren musste das ESSL im Allgemeinen und die ECSS im
Besonderen schwierige finanzielle Zeiten überstehen, da die
Finanzierung stark an Forschungsaufträge gebunden war. Mittlerweile
hat sich das ESSL jedoch fest etabliert und kann dank zunehmender
Mitglieder und Unterstützer auf ein gefestigtes Fundament blicken.
Die Konferenz 2025 in Utrecht (NL)
Nach einer Corona-Pause fand 2023 die nächste Konferenz in Bukarest
statt. Vom 17. bis 21. November 2025, also in der kommenden Woche,
wird nun die zwölfte Ausgabe der ECSS in Utrecht veranstaltet (https://www.essl.org/cms/european-conferences-on-severe-storms/ecss2
025/). Natürlich dreht sich wieder alles um die Vorhersage von
Unwettern. Themen sind neben Beobachtungs- und Fernerkundungssystemen
(Satellit, Radar, Blitze) auch Modellvorhersagen und Simulationen.
Zudem werden verschiedene Studien zu Unwetterereignissen,
Klimatologien und Fallstudien vorgestellt.
Auch der DWD ist wieder präsent, insbesondere mit dem Sinfony-Projekt
(https://www.dwd.de/DE/forschung/forschungsprogramme/sinfony_iafe/sin
fony_node.html). Darüber hinaus gibt es Beiträge zu
Satellitenbeobachtungen, zu automatisierten Verfahren zur
Identifizierung von Gewitter- und Unwetterzellen sowie zur
Kommunikation von Unwetterereignissen. Außerdem wird ein Update zu
Tornadostatistiken in Deutschland vorgestellt ? die letzten
Statistiken wurden 2003 von eben jenem Nikolai Dotzek präsentiert.
Bilanz
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die ECSS-Tagung und das ESSL sind
eine große Erfolgsgeschichte, die die europäische Unwetterforschung
prägen und die Qualität der Unwettervorhersagen entscheidend
verbessert haben. Neben vielen europäischen Wissenschaftlern sind
auch jedes Mal zahlreiche renommierte Forscher aus den USA und
anderen Ländern der Welt mit dabei.
Im kommenden Jahr 2026 feiert das ESSL seinen 20. Geburtstag und kann
stolz auf die vergangenen Jahre zurückblicken. Auch für den Deutschen
Wetterdienst war und ist das ESSL ein wichtiger Partner.
Die Bilder und Links zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie
immer im Internet unter www.dwd.de/tagesthema.
Dipl. Met. Marcus Beyer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.11.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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